Trotz klirrender Kälte fand sich auch zum 4. Forum zu den Themen Bestandsgebäude und nachhaltige Versorgung eine beachtliche Zahl an Teilnehmern in der Friedensgemeinde in der Humboldtstraße ein. „Wie immer“ – kann man bereits sagen – moderiert Otmar Willi Weber in gewohnt wohlwollender Weise, stets mit einem zielsicheren Auge auf die Zeit, durch die abendliche Veranstaltung.
Anhand des Rückblick „Was bisher geschah“ durch Klaus Selle, sowohl zur Erinnerung als auch als Einstieg für die neu Hinzugekommenen, werden alle auf den aktuellen Stand des Beteiligungsprozesses gebracht.
Aufgrund der Frage, wie repräsentativ solch eine Bürgebeteiligung sein kann, sind über die Grenzen der Abende in der Friedensgemeinde hinaus Bürger verschiedener Nationen aus der näheren Nachbarschaft auf das laufende Verfahren am Hulsberg angesprochen worden.
Robert Bücking schildert Gespräche mit Personen, die von dem Beteiligungsprozess über das Hulsbergviertel bisher noch nicht erreicht worden sind– wie z. B der Gemüsehändler in der Ladenstraße, eine Gruppe von Brasilianern, sowie Libuse Cerna vom Rat für Integration. Dabei stieß der Ortsamtsleiter auf grundlegendes Interesse, aber u.a. auch auf Lebensumstände, die eine Bereitschaft zur Teilnahme an vierstündigen Abendveranstaltungen gar nicht zuließen. Das Verfahren befinde sich jedoch noch in einer sehr frühen Phase, so dass die Hoffnung auf eine Vergrößerung der Teilnehmervielfalt durchaus noch bestehen bleiben darf. Es sollen neue Formen und Wege gefunden werden, z.B. Menschen mit Migrationshintergrund aus der näheren Nachbarschaft, direkter anzusprechen.
Zum heutigen Thema „Gebäudebestand“ präsentieren Jost Westphal (Westphal Architekten) und Martin Pampus (Schulze Pampus Architekten) Ergebnisse einer Studie über die vorhandenen Gebäude auf dem Klinikgelände. Die Beurteilung basiert auf einer fachtechnischen Untersuchung der Gebäude und einer Untersuchung der Machbarkeit ihrer Umnutzung. Aus entsprechenden Kostenprognosen resultiert die immobilienwirtschaftliche Bewertung bzw. Empfehlung.
Die Gebäude auf dem Gelände wurden dazu in drei Kategorien eingeteilt:
- Erhalt (grün)
- Abriß (rot)
- kritisch (gelb)
Als erhaltenswert werden u.a. das Wöchnerinnenhaus, die Kinderklinik von 2002, das ehemalige Isolierhaus und die ehemalige Dermatologie, sowie die Krankenpflegeschule mit dem Cafe 2000, der Bunker an der St.-Jürgen-Straße, das ehemalige Scharlachhaus und noch einige weitere angesehen.
Eine deutliche Abrißempfehlung erhält die Frauenklinik aus dem Jahr 1985, sowie das raumgreifende ehemalige Schwesternwohnheim, bei dem jede Wand tragend und dadurch Grundrissänderungen kaum möglich wären. Auch das Zentrallager von 1991 und der Bunker in der Friedrich-Karl-Straße mit einer Raumhöhen von 2,20 m sowie weitere Gebäude werden dieser Gruppe zugeordnet.
Kritisch anzusehen ist u.a. das Kapellengebäude aus den 60er-Jahren, wie viele derartige Gebäude ungedämmt, aufgrund des sehr speziellen Grundrisses wäre hier bei Erhalt eventuell eine Theaternutzung denkbar. Ebenfalls kritisch eingestuft wird die Professor-Hess-Klinik an der Bismarckstraße, unter anderem aus statischen Gründen schwer umnutzbar.
Die Architekten öffnen den Blick auf den Bogen des gedanklichen Spielraums bei der Frage der Umnutzung, wie z.B. bei der Pathologie mit integrierter Kapelle, von völlig neuer Funktion und vielleicht sogar bis zur Wiederherstellung des alten Zustandes?
Weiterhin wurde das Bettenhaus von dem Büro Hilmes Lamprecht Architekten konkret auf seine Eignung zur Wohnnutzung detailliert geprüft. Auch hier ist eine Nachnutzung möglich.
Zum zweiten Thema der Veranstaltung stellt Gerhard Kopiske vom Ingenieurbüro UTEC Gedanken und Möglichkeiten für ein „Nachhaltiges Energieversorgungskonzept“ vor. Die anzustrebenden Ziele und Überlegungen beruhen auf zwei Säulen,
- der Co2-Minimierung, also der Optimierung des energetischen Standards der einzelnen Gebäude,
- und der Nachhaltigkeit der Versorgung, also die Frage nach Alternativen für die Energieversorgung
Verschiedene Möglichkeiten der Wärmeversorgung, zentral oder dezentral, die Auswahl an Energieträgern, Zielkonflikte zum Thema Solarenergie werden dargestellt, sowie die zukünftigen Wärmemengenbedarfe und die dafür eventuell zur Verfügung stehenden Flächen auf den zukünftigen Flachdächern. Wie werden die aktuellen Gebäude versorgt – lässt sich das neue Quartier an das auf dem Gelände vorhandene Fernwärmenetz anbinden?
Weiterhin zum Thema Nachhaltigkeit beim „Wasserver- und Entsorgungskonzept“ macht Olaf Krengel aufmerksam auf die Punkte Sicherheit, Umweltschutz und Kosten. Mögliche Komponenten der Regenwasserentwässerung, die auf den 14,4 ha anfallen, werden aufgezeigt, Beispiele anderenorts erläutert. Wäre die Idee einer Geländeaufhöhung übertragbar auf das Gelände am Klinikum Mitte?
Nach dem alle Teilnehmer anhand dieser Hintergründe ihren Kenntnisstand entsprechend erweitert haben, gehen wir mit einer leichten Verspätung in die beiden Arbeitsgruppen „Gebäudebestand“ und „Nachhaltigkeit“.
Es ergeben sich folgende Fragen, Wünsche, Interessen, Erkenntnisse und Anregungen:
- welchen Stellenwert hat die von den Architekten erarbeitete Untersuchung für die weitere Planung?
- Welche Gebäude eignen sich evtl. für kostengünstiges Wohnen?
- Wäre es denkbar, die Kapelle als solche zu nutzen?
- Vorschlag der temporären Nutzung von „kritischen“ Gebäuden
- Nachteilige Konsequenz der Zwischennutzung: keine freien Baufelder, kein Neubau
- Wunsch nach einer Aufweitung der Perspektive bei der immobilienwirtschaftlichen Bewertung, z.B. wären eingeschossige „Abrissgebäude“ für Künstlerwerkstätten nutzbar, hinsichtlich der angestrebten Vielfältigkeit und Lebendigkeit des neuen Viertels?
- Dieser Prozess als Chance, „Träume mit ingenieurtechnischem Wissen in Kontakt bringen“ (Zitat Robert Bücking)
- Erkenntnis: Vorschlag zum Abriss der Frauenklinik ergibt wenig Widerstand
- Wer bezahlt den Abriss von Gebäuden? – ist Teil der Kosten, die mit dem Gelände in Zusammenhang stehen, wie auch Kanalbau, Erschließung, etc, die das Gelände hinterher erwirtschaften muss
- Wann kann ich mir zu bestehenden Gebäuden konkrete Gedanken machen?
- Diskussion über verschiedene Betrachtungsweisen: „Investorensicht“ vs. „Was ist kultig?“
- Wie wird das neue Klinikgebäude versorgt? Gibt es hier Möglichkeiten zur gemeinsamen Nutzung von Systemen?
Aus der anderen Gruppe zum Thema nachhaltige Versorgung berichtet Florian Kommer im Protokoll.
Zum Abschluss gibt Architekt Manfred Hegger, Präsident der deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit, und Professor am Institut für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen der TU Darmstadt einen Einblick in Erkenntnisse und Wissenswertes über das umfangreiche Thema Nachhaltigkeit.
Anhand einleuchtender Statistiken macht er die derzeitige Entwicklung des Energiebedarfs deutlich, weist auf die Notwendigkeit und Möglichkeiten zur Verdichtung hin – in Deutschland werden derzeit 100 ha Land pro Jahr versiegelt, Ziel seien nur noch 30 ha. Hinsichtlich der Ökonomie zeigt er die gering weiterentwickelte Arbeitsproduktivität im Baubereich auf, spricht auf sozialkulturelle Aspekte an, 70 % der im Jahre 2050 9,2 Mrd Menschen werden vorraussichtlich in Städten leben – wenn der Raumwärmebedarf pro m² zwar sinkt, der Raumbedarf pro Kopf jedoch ansteigt, bleibt der Wärmebedarf pro Kopf gleich?
Anhand von bereits gebauten Beispielen zeigt er, wie der Gedanke der Nachhaltigkeit – vielleicht auch im Hulsbergviertel? – umgesetzt werden kann.
Berich von Corinna Lueßen
Protokoll Neues Hulsberg 01-02-2012
Präsentation K Selle
Präsentation Bestand 1 J Westphal
Präsentation Bestand 2 J Westphal
Präsentation Bestand 3 M Pampus
Präsentation Energieversorgung G Kopiske
Präsentation Wasserversorgung O Krengel
P.S. Aufgrund von Bilderrechten konnte Herr Prof. Hegger seine Präsentation für diese Website leider nicht zur Verfügung stellen.