Zur fünften Spezialveranstaltung konnten am späten Nachmittag wieder zahlreiche Teilnehmer im Siemenshochhaus begrüßt werden. Der Termin zum Themenbereich „Mobilität und öffentlicher Raum“ war von einem großen Team, bestehend aus Mitarbeitern von SUBV und GEG, unterstützt durch das Ortsamt Mitte, vorbereitet worden. Bereits am Anfang erfolgte der wichtige Hinweis, dass das nächste große Bürgerforum am Mittwoch, den 14. Mai 2014 um 17:30 stattfindet.
Das mittlerweile bewährte Fragespiel brachte wieder interessante Erkenntnisse: So besaß die überwältigende Mehrheit der zahlreich erschienenen Anwesenden in den letzten 6 Monaten kein Auto. Wie in Bremen nicht anders zu erwarten, gaben fast alle Besucher an, regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Eine ebenfalls beachtliche Zahl von Teilnehmern besitzt eine Fahrkarte und verwendet regelmäßig die öffentlichen Verkehrsmittel. Und: Etwa jeder 5. Teilnehmer ist bereits bei Carsharing angemeldet.
Mit einem geschichtlichen Rückblick auf die städtebauliche Entwicklung von Bremen erläuterte Senatsbaudirektorin Iris Reuther die zunehmende Rolle des motorisierten Individualverkehrs und wie entscheidend dieser das Stadtbild aktuell prägt. Ein optimistischer Ausblick auf die Mobilität von morgen, die sich vielleicht durch mehr Teilhabe auszeichnen wird, bildete die Überleitung zu der Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Übergänge zwischen Privat und Öffentlich. Es folgte ein kurzer Überblick über die bisherigen Veranstaltungen, bei denen der heute besprochene Themenkomplex in vielen Bereichen bereits anklang und die Aufzählung der wichtigen Themen, die Verwaltung und geg daraus mitgenommen haben:
- Minimierung und Organisation der Verkehrsfläche
- Parkhaus: Kubatur und Erscheinung
- Vorzonen für Vieles
- Fahrräder: Wegeführung und Parken
- Gärten und Sonne
Im Hinblick auf die viel diskutierte Dimensionierung des Parkhauses an der St. Jürgen Str. machte Reuther deutlich, warum dieses sowohl für die Funktionsfähigkeit des Klinikums Bremen-Mitte als auch für das Neue Hulsberg-Viertel relevant ist. [Präsentation Iris Reuther]
Konrad Rotfuchs und Christoph Ludwig von ARGUS Stadt- und Verkehrsplanung, verantwortlich für die Verkehrsplanung im städtebaulichen Entwurf für das Neue Hulsberg-Viertel, veranschaulichten die Verkehrserschließung im und ums Quartier und gingen dabei auch genauer auf die Stellplatzbedarfe und –angebote ein. Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie auch dem Radverkehr und der Quantität und Qualität der Fahrradstellplätze.
Das Team von ARGUS hat für das Hulsberg-Viertel, aufbauend auf einer Vielzahl von Bausteinen, ein zukunftsweisendes Mobilitätskonzept erarbeitet. So werden die mehrfach nutzbaren Stellplätze in den Quartiersgaragen u.a. ergänzt durch Carsharing Angebote und Nahlogistik. Darüber hinaus steht eine besonders innovative Form der Mobilitätsversorgung – eine Quartiersbezogene Fahrzeugflotte – in der Diskussion. Mit dem Anspruch, das eigene Auto adäquat zu ersetzen, könnte die Flotte unterschiedliche Fahrzeuge für die vielfältigen Bedürfnisse der künftigen Bewohner anbieten.
Als weitere Grundlage für die anschließende Diskussion zur Gestaltung des öffentlichen Raumes zeigten die Verkehrsplaner einige mögliche Varianten für bestimmte Bereiche als Detailansicht. Um die gesamte Präsentation von ARGUS zu sehen, bitte [hier] klicken.
Eine kleine Neuheit im Ablauf der Spezialveranstaltung war, dass die mit den Teilnehmern zu diskutierenden Themen im Dialog zwischen Robert Bücking, dem Ortsamtleiter Bremen-Mitte, und Michael Flassig, Verkehrsplaner beim Bausenator, noch einmal erörtert und, soweit möglich, auf den Punkt gebracht wurden. Dabei kam u.a. die spannende Frage auf, ob sich das Neue Hulsberg-Viertel mit seinem zukunftsorientierten Konzept gegen die umliegende Nachbarschaft durchsetzen, oder dem „Druck“ von Außen nicht standhalten kann.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Östliche Vorstadt mit 0,5 PKW pro Haushalt bereits einen geringeren Stellplatzbedarf aufweist als viele andere Stadtteile wie beispielsweise Schwachhausen, wo 0,7 PKW auf jeden Haushalt kommen. Die Chancen stehen bei der zunehmenden Nutzung von Carsharing, welche statistisch belegt ist, also nicht schlecht.
Nach dem Dialog und einer kurzen Pause organisierten sich die Anwesenden wie üblich zu
Werkstattgesprächen an zwei Tischen. Kontrovers diskutiert wurde unter anderem das Verhalten der Verkehrsteilnehmer auf einer Mischverkehrsfläche – eine Dame befürchtete, dass Radfahrer wohlmöglich keine Rücksicht auf die Fußgänger nehmen würden. Die Mehrzahl der Teilnehmer begrüßte jedoch das zukunftsorientierte Konzept einer gleichberechtigten Nutzung der Straßenräume.
Andere BesucherInnen machten sich Gedanken über die Ausformulierung der öffentlichen Räume. Abgesehen vom Teilen der Autos, bemerkte ein Gast, können ja auch die privaten Vorgärten als eine gemeinsam gestaltbare Nutzfläche für die jeweiligen Bewohner eingerichtet werden.
Einen munteren Schlagabtausch gab es auch zu der Frage, wie der ruhende Verkehr untergebracht werden soll: Parkhaus oder Tiefgarage? Zunächst einmal wurde folgende grundsätzliche Kritik deutlich: In den das städtebauliche Gutachterverfahren vorbereitenden Bürgerforen wurde herausgearbeitet, dass Tiefgaragen aus verschiedenen Gründen als eher ungeeignete Lösung zur Unterbringung der PKW erachtet wurde. Einige Argumente, die im bisherigen Beteiligungsprozess bereits geäußert wurden:
- Sie verfügen über ein geringeres Nachnutzungspotential, sofern sie als Tiefgarage künftig weniger Verwendung finden. Parkhäuser – so die Argumentation an einem der Arbeitstische – ließen sich wesentlich schneller und kostengünstiger rückbauen, würden sie nicht mehr gebraucht.
- Die Herstellungskosten von Tiefgaragen liegen deutlich höher, als es bei
Parkhäusern der Fall ist. - Der Antrittswiderstand, das Auto zu nutzen, wird bei Tiefgaragenplätzen abgesenkt.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Spezialveranstaltung äußerten nun ihren Unmut darüber, dass trotz der vorgenannten Argumente gegen Tiefgaragen der jetzige Entwurf für das Neue Hulsberg Viertel, diese PKW-Abstellmöglichkeiten vermehrt vorsehe. Die Argumente für mehr Stellplatzangebote in Tiefgaragen lauteten hingegen:
- Im städtebaulichen Entwurf für das NHV ist noch eine erhebliche Zahl von Stellplätzen nachzuweisen. Diese Stellplätze in Tiefgaragen nachzuweisen, bietet Gewähr, dass nicht Grundstücke, die eigentlich für Wohnungsneubau vorgesehen waren, herangezogen werden müssen.
- Im Sinne der Barrierefreiheit sind Tiefgaragen eine von vielen Menschen bevorzugte Möglichkeit zur Unterbringung des privaten PKW in Wohnungsnähe.
- Die Herstellungskosten von Tiefgaragen sind nicht durch die Allgemeinheit zu tragen, sondern durch jene, die die Garagen letztlich nutzen; also letztlich ist es eine individuelle Entscheidung.
- Auch das vorgestellte Mobilitätskonzept sorgte für spannende Diskussionen, aber auch für viele neue Anregungen: Man könne doch noch einen Schritt weiter gehen und Elektroautos als Carsharing-Autos einrichten, diese könnten zudem durch Solarzellen auf den Dächern der Mobil-Punkte oder Servicestellen aufgeladen werden.
Zur Etablierung einer quartiersbezogenen Flotte müsste voraussichtlich ein finanzieller Grundbeitrag von jedem Bewohner gefordert werden. So wurde darüber diskutiert, ob diese Verpflichtung zu Benachteiligung der Bewohner, die nicht an dem Konzept teilhaben wollen oder können, führen würde. Als möglicher Lösungsansatz wurde festgehalten, dass man verschiedene bedarfsorientierte Pakete zu unterschiedlichen Preisen ansetzen könnte.
Diese und andere Anregungen, Ideen und Bemerkungen wurden wie immer dokumentiert und festgehalten. Dokumentation Stellwände
Mit einem herzlichen Dank an die vielen engagierten Besucher und Beteiligten im Hulsberg-Prozess endete der Abend der letzten Spezialveranstaltung im ersten Halbjahr 2014.